März – April 2020
Vogelhousey
«Lange habe ich überlegt wie ich aus diesem Vogelhaus eine Arbeit machen kann. Auf einem Winterspaziergang fand ich es auf dem Waldboden und nahm es sofort mit. Es war nach langer Zeit recht verwittert und heruntergekommen und ich beschloss es wieder fit zu machen. Die Arbeit am Haus war schön, recht erfüllend. Doch als es schliesslich fertig war stellte ich mir die Frage, wie ich aus dem Haus jetzt eine künstlerische Arbeit produzieren könnte. Ich hatte durchaus einige Ideen und Konzepte im Kopf, doch nichts davon reizte mich wirklich. Immer wieder ging ich in der Gegend in der ich es gefunden hatte spazieren, mal als Pause, mal um mithilfe meiner Kameras Arbeiten zu produzieren. Eines sehr frühen Morgens stieg ich in der Dämmerung einen benachbarten Berg hinauf, mit der Absicht auf dessen Spitze eine Kamera zu platzieren, sprich eine Arbeit herzustellen. Als ich mit dem ersten Licht die Spitze erreichte, erlebte ich mal wieder eins von diesen transzendenten Naturerlebnissen. Die orangegelben Sonnenstrahlen auf einigen Kiefern ließen mich innehalten. Was könnte ich im Angesicht solcher Schönheit, solch eines Bildes überhaupt noch erbringen? Keine Arbeit, die ich je produziere könnte jemals daran herankommen. Sie können nicht mehr als klägliche Versuche sein das einzufangen. Im Gegensatz zu Sonnenstrahlen gehört meine Arbeit nicht zwischen Kiefern, in Wälder oder auf Bergspitzen. Menschengemacht gehört sie in die Welt der Menschen. Das kleine Vogelhaus ist nicht mehr als eine bescheidene Geste, eine Darbietung. Ein Dienst an der Natur mit dem Zweck sie zu erhalten, zu unterstützen. Nun sitze ich mit dem Vogelhaus hier zwischen den blassen Wänden meines Zimmers. Blick durchs Fenster nach draußen: Blauer Himmel, Sonnenschein, saftige grüne Wiesen. Die übliche Schönheit durch den üblichen Fensterrahmen. Ich schreibe, denke und arbeite hier. Die Arbeit des Menschseins hält mich fest, alle Spaziergänge enden schlussendlich wieder am Arbeitsplatz. Doch dieses Vogelhaus werde ich wieder aufhängen. Keine Schraube oder Nagel zu viel soll es so schonend wie möglich an einem Baum hängen und Vögeln einen Nistplatz bieten. Niemals mehr als das. Ich werde es nicht in irgendwelche Kunsthallen hängen und dazu missbrauchen mein Portfolio zu füllen. Das wäre dem Sinn des Vogelhauses nicht gerecht. Oder doch? Es ist ja auch nur ein Vogelhaus, genau so wie mein Portfolio nur eine Ansammlung von menschlichen Kreationen ist. Eigentlich passt beides doch ganz gut zusammen. Natürlich können all diese Kunstwerke schön sein und auch ein Vogelhaus kann schön und mühevoll gearbeitet sein. Doch ist es das gleiche wie ein alter trockener Baumstamm? Nach Jahren des Lebens tot aber dennoch aufrecht stehend, ein Heim für Vögel und Käfer, die sich in dem verwundenen Holz ihre Höhlen geschaffen haben? Aber inwieweit unterscheiden sich Spechte und Insekten mit ihrem Höhlenbau von meinen menschlichem Tun? Überwältigt vom Naturschauspiel fühlen sich meine Handlungen so bescheiden an. Manchmal will ich nichts anderes als ein kleiner Maler sein, der mit Ölfarben Wälder, Berge und Seen festhält. Aber da waren wir als Menschheit ja schon. All meine Gedanken sind auch bei weitem nichts Neues. Ich denke ich muss die Grenze zwischen Mensch und Natur neu begreifen, vielleicht sogar gänzlich auflösen. Nicht durch die Grenzen von Bildern und Fensterrahmen sehen, sondern mich mehr als Teil dieser in ihrer Gesamtheit sehen. Das heisst auch, dass meine Arbeit und vor allem mein Portfolio vielleicht nicht ganz so wichtig sind. Das heisst vielleicht, dass ich das Vogelhaus einfach aufhängen sollte. Woran auch festhalten? Ich weiss auch nicht. Es ist nicht so einfach mit diesem Menschenkopf auf den Schultern. Es reizt mich sehr mich in Arbeit zu stürzen so klein, menschlich und irrelevant sie gegenüber der Natur auch sein mag. Doch diese Arbeit gerade nervt mich. Ich finde sie nicht allzu gut. Das Vogelhaus an einem schönen Baum, gerne einen Nadelbaum hängen zu sehen, das ist es was ich eigentlich will. Kein Kunstwerk, das in Ausstellungsräumen gezeigt wird. Ugh»
Prozess/Wander
Die Kamera und ich
Ich bin jetzt das Stativ, Kamera am Kragen, Augen im Kopf. Die Pixel bringe ich heim. Doch das, was ich ich selbst sehe? Und was ich höre, rieche und spüre? Der Vogelgesang, die Geräusche des Waldes und der Duft der Nadelbäume hinterlassen zwar Spuren im Kopf, bleiben ultimativ aber dort.
—
Eigentlich habe ich dem Allen nichts hinzuzufügen. Dennoch werde ich vermutlich immer das Gefühl haben, nicht alles gesagt, gedacht und geschrieben zu haben.
—
Mein Ziel ist es rauszukommen, wegzukommen. Vom Weltgeschehen, vom Geschäft, von der Völlerei und dem Suff. Fast wie ein Biedermeier (minus das Konserative) will ich mich vom ganzen Stress zurückziehen und mich auf die Natur konzentrieren und nicht über- und zerdenken. Eben Waldgrün, statt Bildschirmbläue und Bachgeplätscher statt Wiedergabelisten. Doch die Arbeit hat mich gezeichnet. Selbst der Rückzug muss etwas produzieren und wenn es Kunst ist. Das kann ich jedoch zumindest an die Kamera abgeben. Ich muss nur daneben sitzen und versuchen zu verstehen was die Kamera tut.
—
strand
«Es fühlt sich ein wenig an wie eine altmodische Dschungelexpedition. Klapptisch und Klappstuhl auf dem Rücken, Kamera an der Hand. Das ganze Geschleppe, der ganze Aufbau, mit dem Ziel jetzt hier sitzen zu können und ein Foto zu machen. Es wäre um einiges einfacher mit dem dem 10 Jahre alten Smartphone gewesen, das ich besitze. Stift, Papier und ein Stein zum sitzen hätten es auch getan. Aber dann hätte ich nichts bauen müssen und das hat mir dann doch Freude bereitet. Vielleicht fertige ich mir also als nächstes einen Becher an. Natur kontrollieren und bändigen, ohne Heimwerkerprojekt at a time. Ich muss zugeben, dass ich den Reiz am Bau menschlicher Infrastruktur in der "Wildnis" besser verstehen kann. Ich mag das kleine Lager, das ich mir hier aufgebaut habe, das Kabel, dass ich vom Tisch zur Kamera verlegt habe. Es würde mich reizen ein Kabel von meinem sicheren Zimmer bis auf einen Berggipfel oder in einen tiefen Wald zu verlegen, Verbindungen schaffen. Einen Funkmast bauen, Solarpanele. Die "Wildnis" erschliessen indem ich sie anschliesse. Sicherheit aufbauen? Kontrolle haben! Klingt nicht besonders romantisch. Aber am Ende kann ich immer noch erkennen, dass ich keinen Trinkbecher brauche und ihn wegschmeissen. Ein Fass soll reichen (als Wohnort, nicht zum trinken meine ich). Doch sowie ich über diese ganze Spannung zwischen "wilder", sprich unkontrollierter Natur, und meinem Schaffen als Mensch nachdenke, so habe ich die Chance die Verhältnisse zwischen den beiden Dingen neu auszuloten. Dieser Ort hier ist sehr schön und gut, doch dauerhaft leben könnte ich hier vermutlich nicht. Mein Zimmer im Städtchen hat auch so seine Vorzüge, doch brauche ich alles was ich dort habe um gut leben zu können? Es fällt mir schwer, ein Leben ohne Dinge wie diesen wunderbar grünen Fluss zu akzeptieren. Doch gleichzeitig will ich auch Internet, Kaffee und Wärme. Eines der besten Dinge ist es festzustellen, dass es wirklich Frühling geworden ist und die Sonne wieder unser Freund ist. Danke Sonne. Danke Frühling. Habe ich da gerade menschliche Stimmen gehört? Die machen mich an einem solchen Ort nervös. Ich will hier lieber allein sein.»
Berg2
«Ich bin verschwitzt, müde und kalt. Der heutige Aufstieg war leider weniger transzendent als der letzte. Wie beim letzten stelle ich mir jetzt die Frage, ob sich das alles gelohnt hat? Statt im warmen Bett zu liegen und mich auf den ersten Kaffee zu freuen, sitze ich mit kaltem Rücken hier oben auf der Bank. Zum Glück war ich klug genug mir eine Banane mitzunehmen. Doch war es das Ganze nicht schon wert, weil ich trotz allem diese Zeilen schreibe? Ich gebe zu, ich fühle mich nicht besonders wohl gerade. Die ganz Situation ist nicht besonders angenehm. Und auch der Abstieg erfüllt mich nicht mit Vorfreude. Aber Arbeit gehört zum Leben dazu. Arbeit ist leben.»
«Ich muss zugeben, dass ich mir so wie ich hier mit dem ganzem Mobiliar und dem Laptop in der Landschaft sitze ein wenig komisch vorkomme. Komisch vor anderen Leuten. Aber warum eigentlich? Entlang der Wanderwege sind ja auch so überall Bänke und Tische. Ja sogar Stellen zum Grillen. Gegen vollständig mit Holz und Grillrost ausgestattet Picknickplätze ist meine kleine Bildersuche ja doch recht bescheiden. Allerdings zieht so ein Umzug, wie ich ihn betreibe, Aufmerksamkeit auf sich. Und das macht mich nervös. Am schönsten ist es doch ohne die Leute.»
bank
«Sich leerlaufen. Ja, ich bin gewiss nicht der Erste, der sich auf seine Naturspaziergänge etwas einbildet. Doch es ist nicht nur Einbildung, sondern auch echte reelle Wirkung auf mich als Mensch? Wie bereits gesagt: sich leerlaufen. Aber es ist eine andere Leere, nicht die, vor der ich mich fürchte, die mich hinabzieht, die mich auf Wände, Decken und Bildschirme starren lässt. Von der ich in meine Shitposts schreibe. Nein es ist eine andere Leere. Eine leichte, frei machende Leere. Vermutlich das, was andere in der Meditation versuchen zu erreichen. Meditieren durch Handlung, auch nichts Neues. Aber es funktioniert. Zumindest für mich. Dennoch mache ich es mir nicht so einfach. Natürlich nicht LMAO. Das leichte Wandern ohne Gepäck nur mit Notizbuch und kleiner Kamera am Kragen ist um einiges angenehmer und befreiender. So habe ich zwischen den Stops immer den klapprigen Tisch auf dem Rücken, der keinen Fick auf die letzten 30 Jahre Rucksack-Technologie gibt. Aber mein Rücken kann sich ja erholen wenn ich wieder zu Hause sitze. Und jetzt sitze ich ja doch auf einer Bank mit dem Laptop auf dem Schoss. Doch als Backup für banklose Orte und als performativer Kunstgegenstand für nette Kunstausstellungen taugt der Tisch und der Hocker ja ganz gut. Ja das gibt bestimmt ein tolles Bild ab: Der kleine Künstler in grosser Natur mit seinem konzeptuell reichhaltigen, mobilen Kunstwerk auf dem Rücken. Da ist das Bild von mir als Künstler fast wichtiger als die Bilder, die eigentlich die Kamera der Installation produziert. Welche jedoch auch ironischerweise meist Bilder von mir und meiner mobilen Installation sind. Gut durchdacht Heller, aber erstmal wieder über die Kunst herziehen.
...
Dem Jungen geht es gut? Er isst vernünftig und starrt nicht mehr an Wände und Decken. Gut gemacht Junge! Postkarten sind raus. Liebe grüsse und bleib gesund.»
wald
«Hauptsache beschäftigt bis zum Tod. Guter Satz. Oh neinm ich höre Menschen. Lasst mich doch bitte noch für etwas mehr als 40000 Pixel allein. Wenn das Bild fertig ist, gehe ich weiter den Weg entlang bis zur nächsten Wegkreuzung. Dort nehme ich einen Weg, den ich noch nicht kenne zurück. Ich freu mich schon darauf. Danach dann noch ein kühles Bier in der Sonne. Das Beste daran wird sein, dass vorher keine Leere herrschte, sondern ich etwas getan habe. Bilder produziert, Texte geschrieben, Zeit gefüllt. Danach darf dann die Pause kommen, die von Untätigkeit bestimmt sein darf. Aber nur um anschliessend wieder zur Tätigkeit zurückzuführen. Ach was für eine gute Lebensphilosphie ich mir hier zusammen bastel. Aber save ist die nicht wasserdicht. Wenn ich mal wieder in tiefen Seen der Depression tauchen gehe. LMAO. Oder die Wellen des Weltgeschehens wieder einmal über mich hereinbrechen. Naja, vielleicht weniger brechende Wellen als ein Treiben in einem Meer, in dem nirgends Land zu sehen ist. Es ist ein wenig seltsam jetzt über diese Gefühlslagen und Geisteszustände zu schreiben, bin ich doch relativ gut drauf im derzeitigen Augenblick. Achja, heut bin ich mal zufrieden und gut gelaunt, denke ich.»
«Ich bin doch ganz froh nach Hause zurück zu kehren. Nicht nach Kassel aber nach Hause in meine noch so kleine Bude. Gewiss keine Wohnhöhle. Das ziemliche Gegenteil, um genau zu sein. Doch mein zu Hause nichtsdestotrotz. Ruhe. Weisse Rauhfaserwände. Einsamkeit. Klingt in meinen Ohren sehr gut. In zehn Minuten bricht meine letzte Woche in Lichtensteig an. Natürlich versuche ich lose Enden zu verknoten, Dinge fertig zu kriegen, auch wenn ich weiss, dass ich so einiges an Arbeit mitnehmen muss. An sich ist Arbeit ja gut für mich. Dennoch wäre mir ein "pünktliches" Fertigwerden wohl lieber. Aber wann ist Arbeit denn je fertig. Klar schon ab und an. Ausstellung eröffnet und abgeschlossen. Publikation gedruckt. Herr der Ringe Marathon beendet. Dann kann man sich mal ein Bier aufmachen und sich entspannen. Mal was anderes tun. Aber zu oft bin ich genau dann auch traurig :( Der Fels ist auf die Bergspitze gerollt, die Aussicht ist ganz gut, doch der Wind weht und es wird kalt. Der weite Blick vergrössert die innere Leere. Ja, ich schätze schon, dass ich Workaholic-Tendenzen habe. Denn was bleibt ohne Arbeit, ohne Aufgabe. Puh»
ANTENNE
«Eine Antenne bauen ist noch besser. Das ist es, was meinem kleinem Setup hier fehlt: eine mobile Antenne. Zugegeben laufe ich ja schon mit einem Handy rum. Dessen Infrastruktur fühlt sich anders an. Vielleicht weil es nicht meine ist. Doch hätte ich meine eigene Antenne hier und noch eine woanders, dann könnte ich meine eigene Infrastruktur, mein eigenes Netz bauen. Vielleicht sollte ich einen Sender hier in Lichtensteig zurücklassen. Dann könnte ich mich immer mal wieder verbinden. Aber so muss ich mich eben trennen und das ist auch in Ordnung. Ganz getrennt bin ich ja sowieso nicht. Jedes mal wenn ich Toblerone esse, denke ich ab heute vermutlich an die Appenzeller, die ich gerade vor mir sehe. Gerade hat eine kleine Spinne ein Netz zwischen meiner linken Hand und einem Grashalm gebaut. Ich bin bereits Teil der örtlichen Infrastruktur geworden, wie es aussieht. Auf einer meiner letzte Wanderungen habe ich mich gefragt, wo denn der endgültig richtige Ort für mich sein könnte. Die Stadt, der Ort, das Haus, die Nachbarschaft der Berg oder das Meer, in oder an dem ich gerne wohne und bleiben will. Endgültig bleiben, niederlassen. Natürlich habe ich keine Antwort auf diese Frage gefunden. Doch wo ich gerade über Antennen und Verbundenheit auf Wanderschaft nachdenke, braucht es vielleicht gar keinen festen Ort. Vielleicht ein Netz aus Orten, mit denen ich mich verbinden und zwischen denen ich hin und her reisen kann. aka the internte lol. Ein festes Heim ist zwar schön und angenehm aber es muss ja auch nicht immer das gleiche sein. Ganz und gar nicht Das Netz kann meine Heimat sein. Das Netz soll meine Heimat sein. In den letzen Wochen war ich viel in Bewegung doch suchte gleichzeitig auch den Stillstand. Dabei ging ich vielen Wanderwegen entlang und blieb an vielen Orten für eine Weile sitzen. Ein Gleichgewischt aus Bewegung und Ruhe soll es sein. Na, und das lässt sich hervoragend innerhalb eines Netzwerkes ausleben. Irgendwie "Heute hier Morgen dort "usw. usw. Aber immer mit allen Hiers und Dorts verbunden.»
März – April 2020
Vogelhousey
«Lange habe ich überlegt wie ich aus diesem Vogelhaus eine Arbeit machen kann. Auf einem Winterspaziergang fand ich es auf dem Waldboden und nahm es sofort mit. Es war nach langer Zeit recht verwittert und heruntergekommen und ich beschloss es wieder fit zu machen. Die Arbeit am Haus war schön, recht erfüllend. Doch als es schliesslich fertig war stellte ich mir die Frage, wie ich aus dem Haus jetzt eine künstlerische Arbeit produzieren könnte. Ich hatte durchaus einige Ideen und Konzepte im Kopf, doch nichts davon reizte mich wirklich. Immer wieder ging ich in der Gegend in der ich es gefunden hatte spazieren, mal als Pause, mal um mithilfe meiner Kameras Arbeiten zu produzieren. Eines sehr frühen Morgens stieg ich in der Dämmerung einen benachbarten Berg hinauf, mit der Absicht auf dessen Spitze eine Kamera zu platzieren, sprich eine Arbeit herzustellen. Als ich mit dem ersten Licht die Spitze erreichte, erlebte ich mal wieder eins von diesen transzendenten Naturerlebnissen. Die orangegelben Sonnenstrahlen auf einigen Kiefern ließen mich innehalten. Was könnte ich im Angesicht solcher Schönheit, solch eines Bildes überhaupt noch erbringen? Keine Arbeit, die ich je produziere könnte jemals daran herankommen. Sie können nicht mehr als klägliche Versuche sein das einzufangen. Im Gegensatz zu Sonnenstrahlen gehört meine Arbeit nicht zwischen Kiefern, in Wälder oder auf Bergspitzen. Menschengemacht gehört sie in die Welt der Menschen. Das kleine Vogelhaus ist nicht mehr als eine bescheidene Geste, eine Darbietung. Ein Dienst an der Natur mit dem Zweck sie zu erhalten, zu unterstützen. Nun sitze ich mit dem Vogelhaus hier zwischen den blassen Wänden meines Zimmers. Blick durchs Fenster nach draußen: Blauer Himmel, Sonnenschein, saftige grüne Wiesen. Die übliche Schönheit durch den üblichen Fensterrahmen. Ich schreibe, denke und arbeite hier. Die Arbeit des Menschseins hält mich fest, alle Spaziergänge enden schlussendlich wieder am Arbeitsplatz. Doch dieses Vogelhaus werde ich wieder aufhängen. Keine Schraube oder Nagel zu viel soll es so schonend wie möglich an einem Baum hängen und Vögeln einen Nistplatz bieten. Niemals mehr als das. Ich werde es nicht in irgendwelche Kunsthallen hängen und dazu missbrauchen mein Portfolio zu füllen. Das wäre dem Sinn des Vogelhauses nicht gerecht. Oder doch? Es ist ja auch nur ein Vogelhaus, genau so wie mein Portfolio nur eine Ansammlung von menschlichen Kreationen ist. Eigentlich passt beides doch ganz gut zusammen. Natürlich können all diese Kunstwerke schön sein und auch ein Vogelhaus kann schön und mühevoll gearbeitet sein. Doch ist es das gleiche wie ein alter trockener Baumstamm? Nach Jahren des Lebens tot aber dennoch aufrecht stehend, ein Heim für Vögel und Käfer, die sich in dem verwundenen Holz ihre Höhlen geschaffen haben? Aber inwieweit unterscheiden sich Spechte und Insekten mit ihrem Höhlenbau von meinen menschlichem Tun? Überwältigt vom Naturschauspiel fühlen sich meine Handlungen so bescheiden an. Manchmal will ich nichts anderes als ein kleiner Maler sein, der mit Ölfarben Wälder, Berge und Seen festhält. Aber da waren wir als Menschheit ja schon. All meine Gedanken sind auch bei weitem nichts Neues. Ich denke ich muss die Grenze zwischen Mensch und Natur neu begreifen, vielleicht sogar gänzlich auflösen. Nicht durch die Grenzen von Bildern und Fensterrahmen sehen, sondern mich mehr als Teil dieser in ihrer Gesamtheit sehen. Das heisst auch, dass meine Arbeit und vor allem mein Portfolio vielleicht nicht ganz so wichtig sind. Das heisst vielleicht, dass ich das Vogelhaus einfach aufhängen sollte. Woran auch festhalten? Ich weiss auch nicht. Es ist nicht so einfach mit diesem Menschenkopf auf den Schultern. Es reizt mich sehr mich in Arbeit zu stürzen so klein, menschlich und irrelevant sie gegenüber der Natur auch sein mag. Doch diese Arbeit gerade nervt mich. Ich finde sie nicht allzu gut. Das Vogelhaus an einem schönen Baum, gerne einen Nadelbaum hängen zu sehen, das ist es was ich eigentlich will. Kein Kunstwerk, das in Ausstellungsräumen gezeigt wird. Ugh»
Prozess/Wander
Die Kamera und ich
Ich bin jetzt das Stativ, Kamera am Kragen, Augen im Kopf. Die Pixel bringe ich heim. Doch das, was ich ich selbst sehe? Und was ich höre, rieche und spüre? Der Vogelgesang, die Geräusche des Waldes und der Duft der Nadelbäume hinterlassen zwar Spuren im Kopf, bleiben ultimativ aber dort.
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Eigentlich habe ich dem Allen nichts hinzuzufügen. Dennoch werde ich vermutlich immer das Gefühl haben, nicht alles gesagt, gedacht und geschrieben zu haben.
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Mein Ziel ist es rauszukommen, wegzukommen. Vom Weltgeschehen, vom Geschäft, von der Völlerei und dem Suff. Fast wie ein Biedermeier (minus das Konserative) will ich mich vom ganzen Stress zurückziehen und mich auf die Natur konzentrieren und nicht über- und zerdenken. Eben Waldgrün, statt Bildschirmbläue und Bachgeplätscher statt Wiedergabelisten. Doch die Arbeit hat mich gezeichnet. Selbst der Rückzug muss etwas produzieren und wenn es Kunst ist. Das kann ich jedoch zumindest an die Kamera abgeben. Ich muss nur daneben sitzen und versuchen zu verstehen was die Kamera tut.
—
strand
«Es fühlt sich ein wenig an wie eine altmodische Dschungelexpedition. Klapptisch und Klappstuhl auf dem Rücken, Kamera an der Hand. Das ganze Geschleppe, der ganze Aufbau, mit dem Ziel jetzt hier sitzen zu können und ein Foto zu machen. Es wäre um einiges einfacher mit dem dem 10 Jahre alten Smartphone gewesen, das ich besitze. Stift, Papier und ein Stein zum sitzen hätten es auch getan. Aber dann hätte ich nichts bauen müssen und das hat mir dann doch Freude bereitet. Vielleicht fertige ich mir also als nächstes einen Becher an. Natur kontrollieren und bändigen, ohne Heimwerkerprojekt at a time. Ich muss zugeben, dass ich den Reiz am Bau menschlicher Infrastruktur in der "Wildnis" besser verstehen kann. Ich mag das kleine Lager, das ich mir hier aufgebaut habe, das Kabel, dass ich vom Tisch zur Kamera verlegt habe. Es würde mich reizen ein Kabel von meinem sicheren Zimmer bis auf einen Berggipfel oder in einen tiefen Wald zu verlegen, Verbindungen schaffen. Einen Funkmast bauen, Solarpanele. Die "Wildnis" erschliessen indem ich sie anschliesse. Sicherheit aufbauen? Kontrolle haben! Klingt nicht besonders romantisch. Aber am Ende kann ich immer noch erkennen, dass ich keinen Trinkbecher brauche und ihn wegschmeissen. Ein Fass soll reichen (als Wohnort, nicht zum trinken meine ich). Doch sowie ich über diese ganze Spannung zwischen "wilder", sprich unkontrollierter Natur, und meinem Schaffen als Mensch nachdenke, so habe ich die Chance die Verhältnisse zwischen den beiden Dingen neu auszuloten. Dieser Ort hier ist sehr schön und gut, doch dauerhaft leben könnte ich hier vermutlich nicht. Mein Zimmer im Städtchen hat auch so seine Vorzüge, doch brauche ich alles was ich dort habe um gut leben zu können? Es fällt mir schwer, ein Leben ohne Dinge wie diesen wunderbar grünen Fluss zu akzeptieren. Doch gleichzeitig will ich auch Internet, Kaffee und Wärme. Eines der besten Dinge ist es festzustellen, dass es wirklich Frühling geworden ist und die Sonne wieder unser Freund ist. Danke Sonne. Danke Frühling. Habe ich da gerade menschliche Stimmen gehört? Die machen mich an einem solchen Ort nervös. Ich will hier lieber allein sein.»
Berg2
«Ich bin verschwitzt, müde und kalt. Der heutige Aufstieg war leider weniger transzendent als der letzte. Wie beim letzten stelle ich mir jetzt die Frage, ob sich das alles gelohnt hat? Statt im warmen Bett zu liegen und mich auf den ersten Kaffee zu freuen, sitze ich mit kaltem Rücken hier oben auf der Bank. Zum Glück war ich klug genug mir eine Banane mitzunehmen. Doch war es das Ganze nicht schon wert, weil ich trotz allem diese Zeilen schreibe? Ich gebe zu, ich fühle mich nicht besonders wohl gerade. Die ganz Situation ist nicht besonders angenehm. Und auch der Abstieg erfüllt mich nicht mit Vorfreude. Aber Arbeit gehört zum Leben dazu. Arbeit ist leben.»
«Ich muss zugeben, dass ich mir so wie ich hier mit dem ganzem Mobiliar und dem Laptop in der Landschaft sitze ein wenig komisch vorkomme. Komisch vor anderen Leuten. Aber warum eigentlich? Entlang der Wanderwege sind ja auch so überall Bänke und Tische. Ja sogar Stellen zum Grillen. Gegen vollständig mit Holz und Grillrost ausgestattet Picknickplätze ist meine kleine Bildersuche ja doch recht bescheiden. Allerdings zieht so ein Umzug, wie ich ihn betreibe, Aufmerksamkeit auf sich. Und das macht mich nervös. Am schönsten ist es doch ohne die Leute.»
bank
«Sich leerlaufen. Ja, ich bin gewiss nicht der Erste, der sich auf seine Naturspaziergänge etwas einbildet. Doch es ist nicht nur Einbildung, sondern auch echte reelle Wirkung auf mich als Mensch? Wie bereits gesagt: sich leerlaufen. Aber es ist eine andere Leere, nicht die, vor der ich mich fürchte, die mich hinabzieht, die mich auf Wände, Decken und Bildschirme starren lässt. Von der ich in meine Shitposts schreibe. Nein es ist eine andere Leere. Eine leichte, frei machende Leere. Vermutlich das, was andere in der Meditation versuchen zu erreichen. Meditieren durch Handlung, auch nichts Neues. Aber es funktioniert. Zumindest für mich. Dennoch mache ich es mir nicht so einfach. Natürlich nicht LMAO. Das leichte Wandern ohne Gepäck nur mit Notizbuch und kleiner Kamera am Kragen ist um einiges angenehmer und befreiender. So habe ich zwischen den Stops immer den klapprigen Tisch auf dem Rücken, der keinen Fick auf die letzten 30 Jahre Rucksack-Technologie gibt. Aber mein Rücken kann sich ja erholen wenn ich wieder zu Hause sitze. Und jetzt sitze ich ja doch auf einer Bank mit dem Laptop auf dem Schoss. Doch als Backup für banklose Orte und als performativer Kunstgegenstand für nette Kunstausstellungen taugt der Tisch und der Hocker ja ganz gut. Ja das gibt bestimmt ein tolles Bild ab: Der kleine Künstler in grosser Natur mit seinem konzeptuell reichhaltigen, mobilen Kunstwerk auf dem Rücken. Da ist das Bild von mir als Künstler fast wichtiger als die Bilder, die eigentlich die Kamera der Installation produziert. Welche jedoch auch ironischerweise meist Bilder von mir und meiner mobilen Installation sind. Gut durchdacht Heller, aber erstmal wieder über die Kunst herziehen.
...
Dem Jungen geht es gut? Er isst vernünftig und starrt nicht mehr an Wände und Decken. Gut gemacht Junge! Postkarten sind raus. Liebe grüsse und bleib gesund.»
wald
«Hauptsache beschäftigt bis zum Tod. Guter Satz. Oh neinm ich höre Menschen. Lasst mich doch bitte noch für etwas mehr als 40000 Pixel allein. Wenn das Bild fertig ist, gehe ich weiter den Weg entlang bis zur nächsten Wegkreuzung. Dort nehme ich einen Weg, den ich noch nicht kenne zurück. Ich freu mich schon darauf. Danach dann noch ein kühles Bier in der Sonne. Das Beste daran wird sein, dass vorher keine Leere herrschte, sondern ich etwas getan habe. Bilder produziert, Texte geschrieben, Zeit gefüllt. Danach darf dann die Pause kommen, die von Untätigkeit bestimmt sein darf. Aber nur um anschliessend wieder zur Tätigkeit zurückzuführen. Ach was für eine gute Lebensphilosphie ich mir hier zusammen bastel. Aber save ist die nicht wasserdicht. Wenn ich mal wieder in tiefen Seen der Depression tauchen gehe. LMAO. Oder die Wellen des Weltgeschehens wieder einmal über mich hereinbrechen. Naja, vielleicht weniger brechende Wellen als ein Treiben in einem Meer, in dem nirgends Land zu sehen ist. Es ist ein wenig seltsam jetzt über diese Gefühlslagen und Geisteszustände zu schreiben, bin ich doch relativ gut drauf im derzeitigen Augenblick. Achja, heut bin ich mal zufrieden und gut gelaunt, denke ich.»
«Ich bin doch ganz froh nach Hause zurück zu kehren. Nicht nach Kassel aber nach Hause in meine noch so kleine Bude. Gewiss keine Wohnhöhle. Das ziemliche Gegenteil, um genau zu sein. Doch mein zu Hause nichtsdestotrotz. Ruhe. Weisse Rauhfaserwände. Einsamkeit. Klingt in meinen Ohren sehr gut. In zehn Minuten bricht meine letzte Woche in Lichtensteig an. Natürlich versuche ich lose Enden zu verknoten, Dinge fertig zu kriegen, auch wenn ich weiss, dass ich so einiges an Arbeit mitnehmen muss. An sich ist Arbeit ja gut für mich. Dennoch wäre mir ein "pünktliches" Fertigwerden wohl lieber. Aber wann ist Arbeit denn je fertig. Klar schon ab und an. Ausstellung eröffnet und abgeschlossen. Publikation gedruckt. Herr der Ringe Marathon beendet. Dann kann man sich mal ein Bier aufmachen und sich entspannen. Mal was anderes tun. Aber zu oft bin ich genau dann auch traurig :( Der Fels ist auf die Bergspitze gerollt, die Aussicht ist ganz gut, doch der Wind weht und es wird kalt. Der weite Blick vergrössert die innere Leere. Ja, ich schätze schon, dass ich Workaholic-Tendenzen habe. Denn was bleibt ohne Arbeit, ohne Aufgabe. Puh»
ANTENNE
«Eine Antenne bauen ist noch besser. Das ist es, was meinem kleinem Setup hier fehlt: eine mobile Antenne. Zugegeben laufe ich ja schon mit einem Handy rum. Dessen Infrastruktur fühlt sich anders an. Vielleicht weil es nicht meine ist. Doch hätte ich meine eigene Antenne hier und noch eine woanders, dann könnte ich meine eigene Infrastruktur, mein eigenes Netz bauen. Vielleicht sollte ich einen Sender hier in Lichtensteig zurücklassen. Dann könnte ich mich immer mal wieder verbinden. Aber so muss ich mich eben trennen und das ist auch in Ordnung. Ganz getrennt bin ich ja sowieso nicht. Jedes mal wenn ich Toblerone esse, denke ich ab heute vermutlich an die Appenzeller, die ich gerade vor mir sehe. Gerade hat eine kleine Spinne ein Netz zwischen meiner linken Hand und einem Grashalm gebaut. Ich bin bereits Teil der örtlichen Infrastruktur geworden, wie es aussieht. Auf einer meiner letzte Wanderungen habe ich mich gefragt, wo denn der endgültig richtige Ort für mich sein könnte. Die Stadt, der Ort, das Haus, die Nachbarschaft der Berg oder das Meer, in oder an dem ich gerne wohne und bleiben will. Endgültig bleiben, niederlassen. Natürlich habe ich keine Antwort auf diese Frage gefunden. Doch wo ich gerade über Antennen und Verbundenheit auf Wanderschaft nachdenke, braucht es vielleicht gar keinen festen Ort. Vielleicht ein Netz aus Orten, mit denen ich mich verbinden und zwischen denen ich hin und her reisen kann. aka the internte lol. Ein festes Heim ist zwar schön und angenehm aber es muss ja auch nicht immer das gleiche sein. Ganz und gar nicht Das Netz kann meine Heimat sein. Das Netz soll meine Heimat sein. In den letzen Wochen war ich viel in Bewegung doch suchte gleichzeitig auch den Stillstand. Dabei ging ich vielen Wanderwegen entlang und blieb an vielen Orten für eine Weile sitzen. Ein Gleichgewischt aus Bewegung und Ruhe soll es sein. Na, und das lässt sich hervoragend innerhalb eines Netzwerkes ausleben. Irgendwie "Heute hier Morgen dort "usw. usw. Aber immer mit allen Hiers und Dorts verbunden.»